Chronologie der Ereignisse | Isabella
Abfolge der Ereignisse in chronologischer Reihenfolge:
Diese Schilderung wurde begleitend zu den eingetretenen Ereignissen dargestellt und endet mit dem 11. Tag nach der OP
Ca. 14 Tage vor dem geplanten OP-Termin
Isabella ließ sich vorsorglich wegen der bevorstehenden OP von ihrer Hausärztin Frau Dr. Stoll, Salzburg, untersuchen. Sie hatte eine leichte Magenverstimmung und besprach mit der Ärztin, ob dies möglicherweise ein Problem bei der anstehenden OP sein könnte. Da der medizinische Befund nicht auffällig war, gab zwar diese ihr OK, riet ihr aber rein privat von der OP ab. In einem späteren zusätzlich mit Dr. Miller geführten Telefonat meinte dieser zu Isabella, dass es bzgl. der Magenverstimmung wahrscheinlich keine Probleme geben würde.
Montag, 14.09.2009 – Aufnahme in der Klinik
Isabella wurde um 10:00 Uhr im KH-Hallein stationär aufgenommen. Aufgrund ihrer Bekanntheit im gesamten Krankenhaus war es ihr gestattet worden, die Klinik wieder zu verlassen. Im Laufe des Nachmittags traf Frau Elisabeth Jäger aus Krems, Kollegin bei der SHG, in Salzburg ein. Frau Jäger war im früheren Berufsleben unter anderem ausgebildete Sanitäterin. Weiters war vereinbart, dass Frau Jäger bei der OP dabei sein kann. Umgekehrt war dies schon ca. ein Jahr vorher bei der OP von Frau Jäger so gewesen. Diese hatte sich das Magenband entfernen lassen und eine Magenverkleinerung erhalten. Chirurg war auch hier Dr. Miller.
Dienstag, 15.09.2009 – OP-Tag
Die OP war für den Vormittag angesetzt. Aus den gesamten Vorgesprächen war bekannt, dass die OP insgesamt ca. eine bis eineinhalb Stunden dauern würde, weil sich durch die bereits in den Vorjahren statt gefundenen Operationen im Bauchraum große Verwachsungen gebildet hatten. Diese Verwachsungen entstehen bei jeder OP und verstärken sich bei jeder weiteren. Isabella hatte schon einen Kaiserschnitt, einen 25 cm langen Bauchschnitt beim ersten Magenband, nochmals einen Bauchschnitt wegen Abszessbildung, eine Gallenoperation und eine minimalinvasive OP beim zweiten Magenband. Alle Beteiligten war dieser Umstand bekannt. Vereinbart war, dass Frau Jäger mich sofort nach Beendigung der OP anrufen sollte, um mir Bericht zu erstatten. Nach Aussage von Frau Jäger hatte die OP doppelt so lange, nämlich zwei Stunden und zwanzig Minuten gedauert. Bekannt ist, dass Dr. Miller solche Operationen bei Erstpatienten in 25 Minuten erledigen kann.
Zur allgemeinen Erklärung sei gesagt, dass die heutige minimalinvasive OP-Methode vorsieht, dass der Bauchbereich meist durch vier Einstichpunkte zur Setzung der OP-Werkzeuge geöffnet wird. Um darin arbeiten zu können, muss der Bauchraum mittels eines Gases aufgeblasen werden, welches natürlich auch das Zwerchfell gegen die Lunge drückt. Ein Vorteil bei dieser OP-Methode ist auch, dass man die gesamte OP videomäßig aufzeichnen und dokumentieren kann.
Da Isabella, wie auch die Frau Jäger sehr an solchen Aufzeichnungen interessiert sind, muss es hierfür auch eine dementsprechende Aufzeichnung geben. Der Grund dafür ist, dass man Anschauungsmaterial für die Selbsthilfegruppen erhält, ohne Rechte von Dritten zu verletzen. Frau Jäger erzählte mir am Telefon den Verlauf der OP so: Das alte Band wurde entfernt und das neue gesetzt. Dr. Miller entschied anscheinend kurzfristig vor oder während der OP, dass er nicht über die sonst üblichen Einstichpunkte in den Bauchraum eindringt, weil in diesen Bereich bereits starke Verwachsungen vorhanden waren. Anscheinend wurden die Werkzeuge wesentlich weiter unten gesetzt. Lt. Frau Jäger hat Dr. Miller während der OP immer wieder Missfallen geäußert. Konkret: er hat geflucht und davon gesprochen, dass eine weitere OP unter gar keinen Umständen mehr möglich sein würde.
Frau Jäger schilderte die OP so, dass Dr. Miller aufgrund der anderen Einstichpunkte sich fast die ganze Zeit auf den rechten Oberschenkel von Isabella lehnen musste. Sie meinte, dass wahrscheinlich das rechte Bein wahrscheinlich einige Tage ziemlich schmerzen würde. Die Verwachsungen im Bauchraum sollen enorm gewesen sein und einige Dünndarmschlingen waren durch diese Verwachsungen direkt an der Bauchdecke „angewachsen“ – eigentlich verklebt. Anscheinend wurden einige Verwachsungen entfernt und die Dünndarmschlingen gelöst. Mir wurde weiters mitgeteilt, dass Isabella sehr schwach sei, ein Besuch daher zwecklos und sie würde sich selbst melden, wenn es ihr besser ginge. Frau Jäger verabschiedete sich von mir, weil sie Richtung Innsbruck weiter fahren musste.
Mittwoch, 16.09.2009 – 1. Tag nach der Operation
Isabella meldete sich bei mir erst am Nachmittag und erklärte mir, dass sie sehr schwach sei, kaum atmen könnte und sehr große Schmerzen hätte. Lt. Stationspersonal sei dies auf die lange Dauer der OP zurückzuführen und sie solle nur ja fest atmen, um die durch das Zwerchfell gepressten Lungen zu stärken. Sie meinte aber zu mir, dass ihr das nicht möglich sei. Einen Besuch von mir sagte sie erst ab, um dann doch nach zwanzig Minuten meinen Besuch zu wünschen, weil, wie sie es ausdrückte, einen „Moralischen“ hätte.
Bei meinem Besuch war ich von ihrem Zustand entsetzt. Ich versuchte zwar mir nichts anmerken zu lassen, konnte aber selbst feststellen, dass sie kaum einen halben Satz ohne absetzen sprechen konnte und das auch nur flüsternd. Sie wirkte auch irgendwie fiebrig und klagte weiter über unheimliche Schmerzen, trotzdem sie anscheinend ein starkes Schmerzmittel erhielt. Obwohl sie mich zu sich gerufen hatte, wollte sie nach zwanzig Minuten, dass ich sie allein lasse, weil sie versuchen wollte trotz der Schmerzen zu schlafen. So ermattet habe ich sie selbst bei ihrer ersten Magenband-OP nicht erlebt und da hatte sie einen 25 cm langen senkrechten Bauchschnitt.
Donnerstag, 17.09.2009 – 2. Tag nach der Operation
Isabella rief mich am Morgen an und teilte mir mit schwacher Stimme mit, dass bei ihr etwas nicht in Ordnung sei und sie nochmals operiert werden müsste. Ich sagte ihr, dass ich so schnell als möglich nach Hallein komme. Als ich eintraf, war bereits ein Pfleger bei ihr, der sie in den OP bringen sollte. Ich versuchte sie zu trösten und ihr Mut zuzusprechen, es gelang mir aber nur unvollkommen, weil ich selbst den Tränen nahe war. Sie sagte nur: „Wenn ich das gewusst hätte, ich hätte mich nie operieren lassen“. Sie trug mir auf, alle ihre Sachen vom Zimmer nachhause zu nehmen. Sie nahm an, dass sie anschließend auf die Intensivstation kommen würde.
Ich habe zusammen mit dem Pfleger das Bett zur OP-Schleuse geschoben und ihr viel Glück gewünscht. Die OP war ungefähr für 10:30 Uhr angesetzt. Ich habe mich dann so vor der OP-Schleuse postiert, dass ich sowohl den OP-Eingang als auch den Gang von dem Dr. Miller zur OP kommen musste im Blickfeld hatte. Es vergingen etwa 20 Minuten, da flogen die OP-Schleusentüren auf, zwei Männer in der OP-Uniform und mit Mundschutz liefen aus dem OP-Bereich heraus zur Schleusentüre und packten je einen Notfallwagen mit Sauerstoffgerät und Wiederbelebungsgeräten, die links und rechts innen an der OP-Schleuse geparkt waren. Gleichzeitig kam aus dem Lift auch ein Mann mit einem solchen Wagen und verschwand im OP-Bereich.
Ich hatte sofort ein absolut schlechtes Gefühl und fand niemanden, der mir Auskunft gegeben hätte. Ich rief daher Frau Jäger an und schilderte den Vorfall. Sie beruhigte mich und meinte, dass könne nichts mit der OP von Isabella zu tun haben, da hätte man mich schon verständigt. Ich ging daraufhin zur Aufnahme und fragte, wie viele OPs es eigentlich geben würde. Als man mir mitteilte, dass drei Säle vorhanden seien, war ich etwas beruhigter, weil ich annahm, dass es sich z.B. um einen Verkehrsunfall handeln könnte.
Nachdem Dr. Miller immer noch nicht aufgetaucht war, ging ich in sein Büro, wo er noch mit Anweisungen an seine beiden Sekretärinnen beschäftigt war. Er teilte mir mit, dass er vom Anästhesisten noch nicht angerufen worden sei, um mit der OP zu beginnen. Da ich ja noch immer nicht erfahren hatte, warum eigentlich Isabella neuerlich operiert werden müsste, teilte er mir mit, dass möglicherweise im Bauchraum eine Infektion entstanden sein könnte und er diese lieber gleich als später behandeln wolle. Es sei so zu sagen eine Vorsichtsmaßnahme – zu einem späteren Zeitpunkt sei die Patientin möglicherweise zu sehr geschwächt. Um eine mögliche Infektion bekämpfen zu können, müsse er dazu aber den Bauchraum mit einem großen Schnitt öffnen. Ich war äußerst betroffen, weil ein ähnliches Szenario schon von der allerersten Magenband-OP her kannte und sie ein halbes Jahr schwer damit zu kämpfen hatte. Um aber Dr. Miller nicht weiter aufzuhalten bzw. ihn abzulenken, habe ich mich wieder zu meiner alten Beobachtungsposition begeben.
So gegen ein Uhr kam eine der Sekretärinnen an mir vorbei und teilte mir mit, dass Dr. Miller bereits seit etwa 12:00 Uhr operiere. Er musste daher einen anderen Zugang zum OP benutzt haben. Eine weitere Stunde später kam DR. Miller aus dem OP und winkte mich mit den Worten: „wir müssen reden“ in sein Büro. Dort teilte er mir mit, dass Isabella bei der Einleitung der Anästhesie einen Herzinfarkt erlitten hätte und dass sie erst wieder 10 Minuten lang reanimiert und anschließend stabilisiert werden musste, bevor er überhaupt operieren konnte. Anscheinend hatte sie eine schwere Sepsis durch einen Riss der Dünndarmwand erlitten, der möglicherweise um drei Uhr früh entstanden sein könnte, weil sie zu diesem Zeitpunkt die Nachtschwester und den Stationsarzt gerufen hatte. Erschwerend bei der Not-OP sei gewesen, dass sie einerseits Blutverdünner für das angeschlagene Herz benötigte, sie aber andererseits daran innerlich an den frischen OP-Wunden verbluten könnte. Die Situation zurzeit sei lebensbedrohlich, ich sollte alle Angehörigen davon in Kenntnis setzen.
Freitag, 18.09.2009 – 3. Tag nach der Erst-OP
Ich rief am Morgen auf der Intensivstation in Hallein an und erhielt die Auskunft, Isabella liege noch im Tiefschlaf, aber dass der Arzt mit mir reden möchte. Ich bin daraufhin sofort zu Dr. Miller gefahren und erfuhr von ihm, dass es ihr sehr schlecht gehe und dass man hier nichts mehr für sie tun könnten. Es sei daher beschlossen worden, sie mit dem Krankenwagen nach Salzburg auf die Intensivstation zu bringen.
Ich machte mich sofort auf den Weg nach Salzburg und wurde auf der Autobahn von einem Krankenwagen mit Blaulicht überholt. Ich ahnte einfach, dass sich darin Isabella befinden würde und bin daher diesem Wagen gefolgt. Obwohl ich ihn im Stadtbereich verkehrsbedingt aus den Augen verloren habe, bin ich nur kurze Zeit später auch bei dem Schockraum angekommen, in den man Isabella brachte. Da ich natürlich nicht hinein durfte, konnte ich nur von außen sehen, dass sich ein ganzes Team um sie kümmerte.
Nach etwa einer halben Stunde kam der Chef der Anästhesie, Hallein aus dem Schockraum – er war im Krankenwagen mitgefahren – und informierte mich genauer über die Vorgänge bei der zweiten Not-OP. Er sagte mir, dass Isabella einen Herzstillstand (anscheinend also kein Herzinfarkt) bei der Einleitung der Anästhesie erlitten hätte und es neben den eigentlichen operationsbedingten lebensbedrohenden Wunden es noch dazu zu einer Unterversorgung des Gehirnes mit Sauerstoff gekommen sein könnte und dies möglicherweise einen bleibenden Schaden verursacht haben könnte. Es sei aber jetzt noch viel zu früh, dies zu prognostizieren. Sie würde nunmehr nach der Erstversorgung auf die Intensivstation der Anästhesie verlegt werden. Alles Weitere würde ich dort erfahren können.
Samstag, 19.09.2009 – 4. Tag nach der Erst-OP
Am Morgen rief ich auf der Intensivstation an und erfuhr, dass sie die Nacht gut verbracht hätte und natürlich im künstlichen Tiefschlaf gehalten würde. Bei meinem Besuch ließ ich mir die Werte auf dem Monitor erklären und konnte sehen, dass Sie einen Herzschlag von 140 bis 150 hatte, einen erhöhten Blutdruck und Fieber. Anscheinend wäre das aber in ihrer Situation normal.
Sonntag, 20.09. bis 26.09.2009 – 5.-11. Tag nach der Erst-OP
Seit ihrer Einlieferung besuche ich Isabella 2x täglich. Von 15:00 – 16:00 Uhr und von 18:00 – 18:30 Uhr dürfen maximal zwei Angehörige zu den Intensivpatienten. Ich zählte bei ihr bis zu neun Dosierspritzen, an die fünf verschiedenen Tropfs, ein Beatmungsgerät und eine Blutwaschanlage.
Von den Ärzten war geplant, sie erst einmal im Tiefschlaf zu behalten und sie dann allmählich ab dem 24.09. aufwachen zu lassen. Da aber die Aufwachphase anscheinend nicht wie geplant verlief, wurde ein CT angefertigt. Das Ergebnis war äußerst beunruhigend, mir wurde aber immer wieder versichert, dass dies noch durch ein EEG überprüft werden müsste. Nachdem auch das EEG katastrophale Werte zeigte und ich in stundenlangen Gesprächen mit den diversen Ärzten endlich auch eine eindeutigere Einschätzung erhalten habe, steht folgendes zurzeit fest: Isabella hat einen hypoxischen Hirnschaden erlitten und weist zurzeit einen pathologischen Befund auf. Die Einschätzung aller Ärzte der Intensivstation ist die, dass der Hirnschaden wahrscheinlich dazu führen wird, dass sie entweder im jetzigen Zustand verbleiben oder (nur?!) schwer behindert sein wird. Aussicht auf Heilung besteht zwar keine, aber es sind schon Wunder passiert – Aussage eines Arztes.
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